Flüchtlingsrat Nds. kritisiert zweifelhaften Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg zu BAB für Gestattete
Asylbewerber_innen mit einer Aufenthaltsgestattung können gem. § 132 SGB III Leistungen zur Förderung während der Ausbildung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) erhalten, wenn bei ihnen „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“ (siehe hier). So können sie nach 15 Monaten Aufenthalt (dann wechseln sie i.d.R. aus dem Bezug von Leistungen nach § 3ff AsylbLG in Leistungen nach § 2 AsylbLG, sog. Analogleistungen zu SGB XII) Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) ergänzend zur Ausbildungsvergütung erhalten.
Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg erfüllen nur Asylbewerber_innen aus den (gegenwärtig) fünf vom BMI bestimmten Herkunftsstaaten (Eritrea, Irak, Iran, Somalia, Syrien) die Voraussetzungen, dass bei ihnen „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten“ sei. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte dies kritisiert (siehe hier), da man grundsätzlich annehmen kann, dass bei Asylbewerber_innen, die eine Ausbildung beginnen, gute Aufenthaltsperspektiven bestehen. Denn sollte der Asylantrag abgelehnt werden, so schützt die sog. „3+2-Regelung“ (siehe hier) vor Abschiebung während einer Ausbildung und ermöglicht eine Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an die Ausbildung.
Ein sehr zweifelhafter Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Mai (siehe hier) zu der Frage, ob auch Asylantragsteller_innen aus anderen als den o.g. fünf Herkunftsstaaten einen Anspruch auf BAB haben, ist uns nun dazu bekannt geworden.
Mit dem Beschluss wird ein vorheriger Beschluss des Sozialgerichts Potsdam zum Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgehoben. Das SG Potsdam hatte einen Auszubildenden aus Kamerun, der eine Aufenthaltsgestattung besitzt, vorläufig BAB zugesprochen, bis in der Hauptsache darüber entschieden wird, ob die vorherige Ablehnung des BAB-Antrages durch die BA rechtmäßig war.
Leider vertritt das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss die selbe Auffassung wie die BA, dass lediglich Asylantragsteller_innen aus den fünf vom BMI benannten Ländern Anspruch auf BAB haben.
Der Beschluss ist v.a. ärgerlich, weil sich die Richter_innen des LSG überhaupt nicht inhaltlich mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob eine Ausbildung über die „3+2-Regelung“ einen „rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalt“ erwarten lässt.
Vielmehr berufen sie sich in ihrer Begründung auf einen Beschluss des VGH Bayern, in dem es um die Frage ging, ob einer Asylantragstellerin aus Afghanistan – also nicht aus den fünf privilegierten Ländern stammend – entsprechend dem § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG der Zugang zum Integrationskurs noch während des Asylverfahrens gewährt werden muss. Das hatte das VGH Bayern verneint. Der Verweis auf die Begründung des VGH Bayern greift jedoch zu kurz, da sich die Begründung ausschließlich mit dem § 44 AufenthG und dem zugang zum Integrationskurs auseinandersetzt. Nach § 44 AufenthG können Asylbewerber_innen mit Aufenthaltsgestattung (bei verfügbaren Plätzen) einen Integrationskurs besuchen, wenn ihnen eine gute Bleibeperspektive prognostiziert wird. In § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG wird dafür ebenfalls die Formulierung verwendet „bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“.
In dem Fall der Afghanin war aber auch, anders als beim o.g. kamerunischen Asylantragsteller in Ausbildung, keine zusätzliche Bleibeperspektive über eine Ausbildung eröffnet. Der VGH Bayern begründet seinen Beschluss u.a. auch damit, dass dem „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ und der Entwurfsbegründung zu § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu entnehmen sei, dass die Prognoseregelung dazu dienen solle, „voraussichtlich nicht aufzunehmende Asylbewerber möglichst von Integrationsleistungen fernzuhalten“, um „die Rückführung vollziehbar Ausreisepflichtiger zu vereinfachen“. Gestattete, die eine Ausbildung absolvieren, werden i.d.R. aber selbst bei negativem Ausgang ihres Asylverfahrens nicht vollziehbar ausreisepflichtig sein, da sie ja über die Ausbildungsduldung der „3+2-Reglung“ geschützt wären.
Besonders absurd wird die Entscheidung des LSG, wenn man sich vor Augen hält, dass der junge Mann unumstritten BAB-Leistungen beziehen könnte, wenn sein Asylantrag bereits abgelehnt worden wäre und er lediglich eine Duldung hätte. Die unerträglich lange Dauer seines Asylverfahrens von bereits mehr als zwei Jahren, die er nicht zu verschulden hat, sollte eigentlich nicht noch eine zusätzliche Belastung für ihn sein und die Ausbildung und weitere berufliche Perspektiven vereiteln. Das kann auch nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, wenn man sich die Gesetzesbegründung zum „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ ansieht (siehe hier).
Der Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg hebt zunächst nur die einstweilige Anordnung auf, mit der vor der Entscheidung in der Hauptsache dem Auszubildenden BAB-Leistungen zugestanden werden sollten, damit er seine Ausbildung weiterführen kann. Daher bleibt zu hoffen, dass das SG Potsdam in der Hauptsache dann gründlicher entscheidet.