LSG NRW: Keine Leistungskürzungen für in Griechenland anerkannte Flüchtlinge

Das Landessozialgericht (LSG) in Nordrhein-Westfalen hat in einem Eilverfahren am 27.03.2020 entschieden, dass die Leistungskürzung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG für Menschen, die in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben, nicht anwendbar ist. In der Eilentscheidung äußert das LSG sehr deutliche Zweifel an der Verfassungskonformität der Leistungskürzung:

„Ist aber das Grund- bzw. Menschenrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG sowohl hinsichtlich des physischen als auch hinsichtlich des soziokulturellen Anteils einheitlich gewährleistet, so ist das Vorenthalten von Leistungen für den soziokulturellen Anteil des Existenzminimums verfassungsrechtlich im Grundsatz ausgeschlossen.

(b) Eine ausnahmsweise Rechtfertigung dieses Ausschlusses ergibt sich nicht etwa daraus, dass mit der Leistungseinschränkung ein asylrechtlich ungewolltes Verhalten – hier das Suchen um Asyl in Deutschland bei schon bestehender Schutzgewährung durch Griechenland – sanktioniert wird. Denn dies ist allein eine migrationspolitisch veranlasste Sanktion; das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist jedoch – s.o. (aa) – migrationspolitisch gerade nicht zu relativieren.

(c) Ebenfalls erscheint eine ausnahmsweise Rechtfertigung des Ausschlusses von Leistungen für das soziokulturelle Existenzminimum schon dem Grunde nach (und unbeschadet der ggf. weiteren Frage nach der Höhe der Leistungseinschränkung) nicht dadurch gerechtfertigt, dass Betroffene wie die Antragsteller als Selbsthilfemöglichkeit in das Land zurückkehren können, welches ihnen bereits internationalen Schutz gewährt hat.“

Beschluss LSG NRW vom 27.03.2020 (L 20 AY 20/20 B ER)