Niedersächsische Landesregierung zu Anzahl erteilter Ausbildungsduldungen

Der Landtagsabgeordnete Belit Onay von den Grünen hat in einer kleinen Anfrage die niedersächsische Landesregierung nach Daten zur Umsetzung der Ausbildungsduldung gefragt und dazu am 05.10.2018 die schriftliche Antwort erhalten. Da die erfragten Daten weder im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst sind, noch durch die Ausländerbehörden im Rahmen der Ausländerdateien zwingend erhoben werden müssen, waren leider nicht alle Ausländerbehörden in der Lage entsprechende Zahlen zu liefern. Zwölf Ausländerbehörden konnten keine oder nur unvollständige Angaben machen. Somit ist die Datenlage sehr unvollständig und die Angaben nur bedingt aussagefähig. Auch gibt es kleine Ungereimtheiten in der aufgeführten Tabelle unter Frage 2 in der Antwort der Landesregierung. So werden die über den Zeitraum vom 06.08.2016 (In-Kraft-treten der Regelung) bis zum Stichtag 31.08.2018 insgesamt erteilten Ausbildungsduldungen zzgl. einiger Stichtagszahlen auf die Zahl der jungen Menschen mit Duldung im Alter von 16 bis 25 Jahre am Stichtag 31.08.2018 bezogen, was wenig aussagekräftig und nur eingeschränkt sinnvoll erscheint, zumal die Ausbildungsduldung altersunabhängig, also auch an über 25-jährige erteilt werden kann (wie die Landesregierung selber anmerkt) und faktisch auch ältere Geflüchtete eine solche erhalten haben. Nur so lässt sich erklären, dass z.B. im LK Lingen 147% der Geduldeten eine Ausbildungsduldung besitzen.

Fakt ist jedenfalls, dass in Niedersachsen bis zum 31.08.2018 durch die Ausländerbehörden, die Angaben machen konnten, 627 Ausbildungsduldungen erteilt worden sind. Man darf sicher davon ausgehen, dass etliche weitere durch die Ausländerbehörden, die keine Angaben machen konnten, erteilt wurden, nicht zuletzt da es sich dabei auch um bevölkerungsreiche Kreise und Städte handelt wie Stadt und Region Hannover oder die Stadt Braunschweig.

Trotzdem ist auffällig, dass einige Landkreise herausstechen und dort verhältnismäßig viele Ausbildungsduldungen erteilt wurden. Zu nennen wären hier die Landkreise Göttingen mit 45 erteilten Ausbildungsduldungen (der LK Göttingen gehört zum Projektgebiet des IvAF-Netzwerkes FairBleib Südniedersachsen-Harz) und Aurich (39 Ausbildungsduldungen) sowie die an Hamburg grenzenden Landkreise Stade (38 Ausbildungsduldungen) und Harburg mit 33 vergebenen Ausbildungsduldungen. (In der Tabelle unter Frage 2 in der Antwort der Landesregierung ist offensichtlich bei den Angaben zum LK Emsland ein Fehler enthalten. Laut Tabelle im Anhang sind dort 23 und nicht 128 Ausbildungsduldungen erteilt worden, was realistischer erscheint).

Sicher muss man vorsichtig sein, daraus den Schluss zu ziehen, dass diese Ausländerbehörden die Ausbildungsduldung großzügiger erteilen als andere und nur diese ganz im Sinne des Gesetzgebers und der Landesregierung für eine „ausbildungsfreundliche Umsetzung“ sorgen. So kann die Erteilung der Ausbildungsduldungen auch von anderen Faktoren abhängen, wie z.B. dem örtlichen Arbeits- und Ausbildungsmarkt oder der jeweiligen Altersstruktur und den Bildungsvoraussetzungen der Geduldeten in einem Landkreis oder aber auch den Unterstützungsstrukturen vor Ort (u.a. die bereits oben erwähnten IvAF-Netzwerke).

Auf die Frage, ob die Landesregierung die Entwicklung hin zu einer „Ausbildungsaufenthaltserlaubnis“ für sinnvoll hält, antwortet sie, dass „derzeit nicht die Änderung der Rechtsgrundlage sondern die ausbildungsfreundliche Umsetzung der Bestimmungen des § 60a AufenthG“ im Vordergrund stünden. Aus den Erfahrungen, die der Flüchtlingsrat in den IvAF-Arbeitsmarktprojekten sammelt, lässt sich diesbezüglich grundsätzlich sagen, dass es in der Praxis der Ausländerbehörden Unterschiede gibt, in wie weit das gelingt. So gibt es die Erfahrungen, dass einige Ausländerbehörden die Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen sehr restriktiv handhaben, so dass Ausbildungsverhältnisse trotz bestehenden Ausbildungsplatzangebotes gar nicht erst zustande kommen und somit auch keine Ausbildungsduldung erteilt wird. Oftmals geht es dabei um Fragen der Identitätsaufklärung oder Passbeschaffung und dem Vorwurf, die Mitwirkungspflicht zu verletzen.

Ein weiteres häufiger auftretendes Problem betrifft Asylsuchende im Dublin-Verfahren. Sie sind laut Erlass vollkommen von der Ausbildungsduldung ausgeschlossen, da bei ihnen generell „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ vorlägen. Nicht wenige von ihnen haben bereits während des Asylverfahrens die Ausbildung begonnen, haben später einen Bescheid vom BAMF erhalten, mit dem ihr Asylantrag als unzulässig erklärt wurde, da ein anderes EU-Land zuständig ist, womit sie ins Dublin-Verfahren kommen.

Hier hat der Flüchtlingsrat bereits von etlichen Betrieben Rückmeldungen erhalten, die ihren Unmut darüber äußern, dass sie – oftmals sehr motivierte – Auszubildende verlieren, sie sinnlose Ausgaben hatten und darüber hinaus noch die Schwierigkeit haben, die Ausbildungsplätze neu zu besetzen. Es stellt sich vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in vielen Berufen die Frage, ob es nicht aus Gründen des öffentlichen Interesses sinnvoll wäre, wenn das BAMF in solchen Fällen vom Selbsteintritt Gebrauch machte und das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt würde.