Vorgriffsregelung zur Beschäftigungsduldung in Niedersachsen
Der Bundestag hat am 7. Juni das „Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung“ verabschiedet. Dieses Gesetz wird am 01.01.2020 in Kraft treten. Es wird ein neuer Paragraph im Aufenthaltsgesetz eingeführt werden, der dann voraussichtlich § 60d heißen wird (da es noch Änderungen im Hau-ab-Gesetz/Geordnete-Rückkehrgesetz geben kann, kann sich die Nummer theoretisch noch ändern). Dieser Paragraph sieht dann unter bestimmten Voraussetzungen eine Duldung bei Beschäftigung vor, die für 30 Monate Schutz vor einer Abschiebung bietet. Anschießend soll dann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen, die zuvor für die Beschäftigungsduldung verlangt wurden, weiterhin erfüllt werden.
Um Geflüchtete, die unter diese Regelung ab nächstem Jahr fallen könnten, schon jetzt den Aufenthalt zu sichern, bzw. zu vermeiden, dass sie zuvor abgeschoben werden, hat das niedersächsische Innenministerium über einen Erlass vom 20.06.2019 eine Vorgriffsregelung geschaffen.
Diese Vorgriffsregelung setzt die Regelung für die ab dem 01.01.2020 gesetzlich geregelte Beschäftigungsduldung schon jetzt um. Es „ist in der Regel“ (sic!) eine Ermessensduldung zu erteilen, wenn die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzung sind leider enorm hoch, so dass zu befürchten ist, dass gar nicht so viele Geflüchtet die Regelung faktisch in Anspruch nehmen können. So wird verlangt, dass die Person bereits „seit mindestens 18 Monaten eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden pro Woche ausübt; bei Alleinerziehenden gilt eine regelmäßige Arbeitszeit von mindestens 20 Stunden pro Woche“ und zudem seit den letzten zwölf Monaten der Lebensunterhalt vollständig gesichert ist. Es muss jedoch lediglich der Lebensunterhalt der stammberechtigten Person vollständig gesichert sein (nicht der kompletten Familie).
Einige Anregungen des Flüchtlingsrates, über den Erlass die Hürden der Beschäftigungsduldung, wie sie nun in das Gesetz aufgenommen werden, abzumildern, hat das Innenministerium leider zurückgewiesen; so z.B. eine Möglichkeit zu schaffen, Menschen, die die Voraussetzungen der Beschäftigungsduldung zwar derzeit noch nicht erfüllen, aber absehbar alle Voraussetzungen mitbringen würden, eine Ermessensduldung zu erteilen. Auch die Problematik der Sippenhaftung, also dass das Verhalten anderer Familienmitglieder dazu führen kann, dass die Ermessensduldung nicht erteilt wird, wollte das Innenministerium über den Erlass leider nicht beseitigen.
Auch wenn wir uns als Flüchtlingsrat über den Erlass eine weitere Öffnung der Ermessensduldung im Falle einer Beschäftigung erhofft hatten, so kann diese Vorgriffsregelung doch für einige ausreisepflichtige sicher eine Chance auf eine Bleibeperspektive sein. Von daher sollte jetzt intensiv geprüft werden, wer von der Vorgriffsregelung profitieren könnte. Die Duldung soll dann bis zum 31.01.2020 ausgestellt werden.