Integrationsgesetz seit dem 06.08.2016 in Kraft – Vorrangprüfung u.a. in Niedersachsen ausgesetzt
Das sog. Integrationsgesetz, das als Artikelgesetz Änderungen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG), im Asylgesetz (AsylG), im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), im Sozialgesetzbuch (SGB) II, III und XII sowie im AZR-Gesetz bewirkt sowie die Verordnung zum Integrationsgesetz, die Änderungen u.a. in der Beschäftigungsverordnung (BeschV) zur Folge hat, sind seit dem 06.08.2016 in Kraft.
Das Gesetz hat u.a. durch Änderungen in § 32 BeschV zur Folge, dass die Vorrangprüfung für drei Jahre in Bezirken mit „unterdurchschnittlicher Arbeitslosenquote“ ausgesetzt wird. In der Anlage 2 zur Beschäftigungsverordnung (siehe hier) sind diese Bezirke aufgeführt. So hat sich die niedersächsische Landesregierung (wie mehrere andere Bundesländer) dazu entschlossen, alle Arbeitsagenturbezirke in die Anlage 2 aufzunehmen, so dass in ganz Niedersachsen nun die Vorrangprüfung ausgesetzt ist. Insgesamt ist die Vorrangprüfung in 133 aller bundesweit 156 Agenturbezirke ausgesetzt (siehe Pressemitteilung des BMAS hier). Das heißt Personen im Asylverfahren oder mit einer Duldung können i.d.R. nach drei Monaten Aufenthaltszeit ohne Vorrangprüfung arbeiten (maximal sechs Monate Aufenthaltszeit, wer sich bis dahin noch immer in einer Erstaufnahmeeinrichtung befindet). Auch Leiharbeit ist dann zulässig. Eine Arbeitsbedingungsprüfung findet bei Menschen im Asylverfahren und mit Duldung mit Aufenthalt von weniger als 48 Monaten aber weiterhin statt.
Weiterhin gibt es Erleichterungen für Asylbewerber_innen „mit guten Bleibeperspektiven“ bzw. „bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“, wie es in den Gesetzen formuliert ist. Dazu zählen derzeit Menschen aus den Herkunftsländern Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien. Sie können noch während des Asylverfahrens – sofern freie Plätze vorhanden sind – einen Integrationskurs besuchen.
Zudem können sie bereits nach drei Monaten Aufenthalt bei Bedarf ausbildungsbegleitenden Hilfen in Anspruch nehmen oder an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilnehmen. Wer über 15 Monate in Deutschland ist, kann im Falle einer betrieblichen Ausbildung Berufsausbildungsbeihilfe in Anspruch nehmen.
Positiv hervorzuheben ist außerdem die Einführung der sog. „3+2 Regelung“, also der Tatsache, dass nun Personen, die eine anerkannte Berufsausbildung beginnen, eine Duldung für die Dauer der Ausbildung ausgestellt werden soll (i.d.R. drei Jahre). Bei Abbruch einer Ausbildung ist die Verlängerung der Duldung für sechs Monate möglich, um sich in der Zeit einen neuen Ausbildungsplatz zu suchen. Die Duldung wird nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zur Suche nach einer Beschäftigung, die der Ausbildung entspricht, für sechs Monate verlängert. Wer seiner Ausbildung entsprechend eine Beschäftigung findet, kann eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst zwei Jahre bekommen.
Das niedersächsische Innenministerium hat zur Umsetzung der Anspruchsduldung bei Vorliegen eines Ausbildungsplatzes einen Erlass herausgegeben, siehe hier.
Als ein negativer Aspekt des „Integrationsgesetz“ – der im engen Zusammenhang mit Beschäftigung steht – sei hier auf den neuen § 12a AufenthG hingewiesen, der nun die rechtliche Grundlage schafft, dass selbst anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte zur Wohnsitznahme in dem Bundesland verpflichtet werden, in dem sie sich während des Asylverfahrens aufgehalten haben. Zudem können sie zur Wohnsitznahme an einem „bestimmten Ort“ verpflichtet, bzw. von bestimmten Wohnorten ausgeschlossen werden.
Die Wohnsitzauflage darf jedoch nicht erlassen werden, für Personen (und den/die Ehepartner_in, Lebenspartner_in und minderjährige Kinder), die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von mindestens 15-Wochen-Stunden nachgehen und damit den Lebensunterhalt für eine Einzelperson sichern (derzeit 710,-/Monat) und auch nicht für Personen, die eine Berufsausbildung aufnehmen oder in einem Studium- oder Ausbildungsverhältnis stehen.
Die niedersächsische Landesregierung hat in mehreren Erlassen die Umsetzung der Wohnsitzregelung in Niedersachsen geregelt. Demnach soll erfreulicherweise innerhalb Niedersachsens keine weitere Beschränkung stattfinden. Anerkannte Asylbewerber_innen (Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 AufenthG), anerkannte Flüchtlinge (AE nach § 25 Abs. 2 erste Alternative), subsidiär Schutzberechtigte (AE nach § 25 Abs. 2 zweite Alternative) sowie weitere Schutzberechtigte (AE nach § 25 Abs. 3, § 22, und § 23) können somit innerhalb Niedersachsen umziehen, auch wenn keine Beschäftigung (mit einer Mindestarbeitszeit von 15 Stunden/Woche) oder Ausbildung in Aussicht sind und der Lebensunterhalt nicht selbständig gesichert wird.
Zudem haben sich alle Bundesländer bis auf Nordrhein-Westfalen darauf geeinigt, dass anerkannte Flüchtlinge, die vor dem 06.08.2016 in ein anderes Bundesland gezogen sind, nicht rückwirkend verpflichtet werden sollen, wieder in das Bundesland zurückzukehren, in dem sie ihr Asylverfahren durchlaufen haben. Bei ihnen wird regelmäßig das Vorliegen einer Härte angenommen. Nur NRW prüft dies in jedem Einzelfall und geht lediglich bei Familien mit schulpflichtigen oder noch kleineren Kindern von einer Härte aus und sieht dann davon ab, die Menschen in ein anderes Bundesland „zurückzuschicken“.
Erlass Wohnsitzregelung niedersächsisches Innenministerium vom 10.08.2016 hier
Erlass Wohnsitzregelung niedersächsisches Innenministerium vom 20.09.2016 hier
Erlass Wohnsitzregelung niedersächsisches Innenministerium vom 07.11.2016 hier
Arbeitshilfe zur Wohnsitzregelung nach §12a vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, Autor Claudius Voigt, siehe hier
Prof. Dorothee Frings (Hochschule Niederrhein) und Rechtsanwältin Eva Steffen (Köln) haben eine Stellungnahme zur Wohnsitzregelung nach §12a AufenthG verfasst, siehe hier.
Trotz einiger Verbesserungen gibt es allerdings auch deutliche Kritik am Integrationsgesetz, so u.a. vom Flüchtlingsrat Niedersachsen siehe hier.
Übersicht Integrationsgesetz und Arbeitsmarktzugang:
Eine Übersicht der Änderungen durch das Integrationsgesetz sowie durch die Verordnung zum Integrationsgesetz, die sich bzgl. des Arbeitsmarktzugangs ergeben, hat Dr. Barbara Weiser vom IvAF-Projekt Netwin3 erstellt, siehe hier.
Ein Überblick über weitere Änderungen durch das „Integrationsgesetz“ findet sich u.a. auf der homepage vom
Flüchtlingsrat Niedersachsen hier
und auf der homepage von Pro Asyl, siehe hier.